Ausweitung des Widerstands
Ziel der Gruppe ist es, auch in anderen Städten Regimegegner für die Flugblattaktionen zu gewinnen. Dafür werden vertrauenswürdige Freunde und Bekannte in Ulm, Stuttgart, Saarbrücken, Bonn, Freiburg, Hamburg und Chemnitz angeworben.
Ulm
Hans Hirzel und Franz J. Müller sind Abiturienten in Ulm. Als Hans Hirzel von der regimekritischen Haltung der Geschwister Scholl erfährt, trifft er sich im Winter 1941/42 erstmals mit Hans Scholl. Im Sommer 1942 erhält Hans Hirzel ein Flugblatt mit der Post. Er vermutet Hans Scholl als Autor, fährt nach München und trifft ihn und den Freundeskreis bei deren Abschiedsfeier am 22. Juli 1942. Später gibt ihm Sophie Scholl Geld, um ein Abzugsgerät zu kaufen. Aus Furcht wirft er es dann in die Donau. Am 25. Januar 1943 bringt ihm Sophie Scholl, die für die Gruppe Material organisiert, Flugblätter mitherstellt, Adressen besorgt und die Kasse führt, ein Paket mit 2000 Flugblättern zum Verteilen.
Susanne Hirzel studiert ab 1941 an der Stuttgarter Musikhochschule. Sie ist seit ihrer gemeinsamen Zeit im BDM eine gute Freundin von Sophie Scholl. Mit ihrem Bruder Hans wirft sie das fünfte Flugblatt in der Nacht des 27. Januar 1943 in Stuttgarter Briefkästen.
Der Ulmer Abiturient Franz J. Müller beschafft Geld, Briefumschläge und Briefmarken für die gebrachten Flugblätter. Er und Hans Hirzel kuvertieren die 2.000 Exemplare hinter der Orgel der Ulmer Martin-Luther-Kirche und machen sie postfertig. Müller bringt einige der Flugblätter auch zu Bekannten nach Heilbronn.
Heinrich Guter ist ein Klassenkamerad von Hans Hirzel und Franz J. Müller. Er ist in die Flugblattverteilung eingeweiht, beteiligt sich nicht an den Aktionen, verrät sie aber nicht an die Gestapo.
Stuttgart
Eugen Grimminger verliert 1935 aus politischen Gründen und wegen „jüdischer Versippung“ seine Stelle als leitender Angestellter bei einem Verband. Er macht sich als Steuerberater selbstständig. Als Robert Scholl, Vater von Hans und Sophie, im August 1942 wegen „Heimtücke“ zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wird, führt Grimminger in dieser Zeit Scholls Steuerbüro. Ende 1942 besuchen ihn Hans Scholl und Alexander Schmorell in Stuttgart, um ihn in ihre Widerstandspläne einzuweihen. Er unterstützt sie mit einem größeren Geldbetrag. Damit kaufen sie einen leistungsfähigeren Vervielfältigungsapparat. Eugen Grimminger ist mit Jenny Stern verheiratet, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Volljüdin“ gilt. Vor dem Krieg verhilft er jüdischen Verwandten und Freunden zur Flucht. Nach seiner Verhaftung am 2. März 1943 wird seine Frau am 2. Dezember 1943 in Auschwitz ermordet.
Saarbrücken/Freiburg i. Br.
Willi Graf reist zum Jahreswechsel 1942/43 mehrfach in seine Heimatstadt Saarbrücken, nach Bonn, Freiburg, Köln und Ulm. Er will alte Freunde aus der katholischen Jugendbewegung als Unterstützer gewinnen. Nur drei, Wilhelm und Heinrich Bollinger sowie Helmut Bauer, erklären sich bereit, die Flugblätter zu verteilen.
Der Chemiestudent Wilhelm Bollinger arbeitet als Sanitätssoldat in der Schreibstube eines Lazaretts in Saarbrücken. Er besorgt dort eine Pistole und fälscht für Willi Graf und dessen Freunde Urlaubs- und Militärfahrscheine.
Wilhelm Bollinger erhält von Willi Graf am 22. Januar 1943 das fünfte Flugblatt. Vermutlich übergibt Graf ihm auch ein Abzugsgerät. Wilhelm Bollinger verschickt etwa 200 Flugblätter an Akademiker in Saarbrücken.
Heinrich Bollinger und Helmut Bauer befürworten die Flugblattaktion, werden jedoch selbst nicht aktiv. „Es müssen noch viel mehr Bomben fallen, bis dieses blöde Volk etwas kapiert“, kommentiert Heinrich Bollinger, als Willi Graf ihm am 24. Januar 1943 das fünfte Flugblatt übergibt.
Hamburg
Die Medizinstudentin Traute Lafrenz wechselt 1941 von Hamburg an die Münchner Universität. Dort freundet sie sich mit Hans Scholl an. Sie diskutieren viel über Literatur und Bibeltexte, so auch über die Sprüche von Salomon. Als sie im Sommer 1942 ein Flugblatt der Weißen Rose erhält, erkennt sie Hans Scholl als Verfasser. Traute Lafrenz bringt Flugblätter der Weißen Rose nach Hamburg [und Wien].
Sie ist es auch, die die Eltern über die Verhaftung von Hans und Sophie Scholl informiert. Nach der Verurteilung reicht sie ein Gnadengesuch der Familien Scholl und Probst ein. Am 24. Februar erfährt sie von der Hinrichtung ihrer Freunde und begleitet die Familie Scholl auf die Beerdigung.
Chemnitz/Berlin
Hans Scholl und Alexander Schmorell erfahren über die mit ihnen befreundete Lieselotte Ramdohr von der Berliner Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Um Kontakt zu dieser Gruppe aufzubauen, treffen sie im Winter 1942/43 mehrmals Falk Harnack. Dessen Bruder Arvid Harnack stand an der Spitze der „Roten Kapelle“, die bereits im August 1942 von der Gestapo aufgedeckt wurde. Nach dem ersten Treffen mit Falk Harnack in Chemnitz im November 1942 finden im Februar 1943 Gespräche in München statt, an denen auch Willi Graf und Kurt Huber teilnehmen.
Der Dramaturg Falk Harnack stellt Scholl und Schmorell Verbindungen zu Berliner Regimegegnern wie Dietrich Bonhoeffer in Aussicht. Das für den 25. Februar 1943 in Berlin verabredete Treffen kann nicht mehr stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt ist Hans Scholl bereits hingerichtet.
Eine weitere Berliner Widerstandsgruppe um die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich und den Dirigenten Leo Borchard versteckt Deserteure, Regimegegner und jüdische Freunde. Die Gruppe versorgt sie mit Lebensmitteln, Medikamenten und gefälschten Papieren. Das Codewort des bis Kriegsende unentdeckten Netzwerks lautet „Onkel Emil“. Im März 1943 erhält die Gruppe über den Kreisauer Kreis das sechste Flugblatt. Sie schreibt es hundertfach ab und gibt es weiter.
Der Medizinstudent Albert Suhr gehört in Hamburg zu einem Kreis von Oppositionellen um Heinz Kucharski und Karl Ludwig Schneider. Im Frühjahr 1943 schreibt Suhr das dritte Flugblatt der Weißen Rose mehrfach ab und gibt es weiter. Er wird im September 1943 festgenommen und am 12. April 1945 aus der Haft in Stendal befreit.